Geschichte Osteuropas und Südosteuropas
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Verzicht, Verzehr und Vigilanz zwischen Polyzentrik und Pluralität vormoderner Religionen

Workshop der Kolleg-Forschungsgruppe „Polyzentrik und Pluralität vormoderner Christentümer“ (Prof. Dr. Birgit Emich und Prof. Dr. Dorothea Weltecke, Goethe-Universität Frankfurt a. M.) von Prof. Dr. Julia Herzberg und Dr. Iryna Klymenko (SFB 1369 „Vigilanzkulturen: Transformationen-Räume-Techniken“ (LMU München)

11.02.2021 – 12.02.2021

Wenn auf historische und kulturelle Komplexität religiöser Konstellationen der Vormoderne fokussiert wird, stehen im Vordergrund stets die großen Fragen nach Genese der Christentümer, Etablierung und Abgrenzung der (Groß-)Kirchen, Reformation und Konfessionalisierung. Diese strukturieren paradigmatisch unseren Blick auf historische Phänomene, stellen jedoch Aspekte in den Hintergrund, die sich diesen Konzepten entziehen oder von ihnen abweichen. Der Workshop widmet sich der Frage nach dem Zusammenhang von Nahrung bzw. Nahrungsverzicht und Religionen in der Vormoderne. Er fragt nach Möglichkeiten und Formen empirischer Abgrenzungen und Verflechtungen, die aus einem solchen Zusammenhang in all seiner diachronen wie synchronen Pluralität resultieren.

Die symbolische und identitätsproduktive Funktion von Nahrung und Nahrungsverzicht ist allen vormodernen Religionen immanent. Der Umgang mit Speisen und die Bedeutung des Nahrungsverzichts korreliert dabei sowohl mit jeweiligen Ordnungsvorstellungen als auch mit Praktiken von Interaktionen, Konflikten und Kooperationen. Darüber hinaus setzen Normierungen von Nahrung und Nahrungsverzicht die Selbst- und Fremdbeobachtung und die Wachsamkeit einzelner Akteure und Gruppen voraus, die sich zu einer bestimmten Form der essensbezogenen Selbstkontrolle und einer entsprechenden Selbstdarstellung entschließen. Der Workshop wird im Hinblick auf Interreligiosität auch politische, soziale und kulturelle Rahmenbedingungen in die Diskussion miteinbeziehen, den Fokus auf die Komplexität räumlicher, personeller und institutioneller Momente sowie auf Interaktionsgemeinschaften stärken, die sich auch durch alltägliche Praktiken wie Nahrungsverzicht und Nahrungsaufnahme konstituieren. Er bietet einen Blick auf Dynamiken und Persistenzen von Selbst- und Fremdbeobachtungen, gegenseitiger Wahrnehmungen oder Indifferenzen, die performativ die entscheidenden Momente der Kommunikation und Strukturbildung innerhalb und zwischen den Individuen und Gruppen mitbestimmen. Durch sie werden Ambiguitäten in der religiösen Praxis und den religiösen und konfessionellen Identitäten sichtbar.

Ziel des Workshops ist es, die häufig nach Kirchen, Konfessionen und Religionen getrennten Forschungen zur Bedeutung von Nahrung, Nahrungsverzicht, Speisegebote und -tabus in einen Dialog zu bringen.

Mögliche Themenbereiche:
• Speisetabus und Speisegebote in multiethnischen und multireligiösen Gemeinschaften
• Ess- und Enthaltsamkeitsgewohnheiten als verflochtene Geschichte
• Nahrung und die Formierung religiöser und konfessioneller Gruppenzugehörigkeit
• Fasten und Verzicht als Zeichen situativer Konfessionalität
• Gemeinsam essen - Nachbarschaftlichkeit, Gemeinschaftlichkeit und Soziabilität
• Gender und Nahrungsverzicht
• Lokale und Lokalitäten als interreligiöse und interkonfessionelle Kontaktzonen
• Ess- und Abstinenzverhalten in der Kasuistik und Polemik
• Askese und Selbstbeobachtung
• Austausch, Nachahmung und Konkurrenz bei Abstinenzpraktiken

Der Call for Papers richtet sich an Historiker*innen, Theolog*innen, Religionswissenschaftler*innen, Islamwissenschaftler*innen, Anthropolog*innen, Soziolog*innen sowie Vertreter*innen benachbarter Disziplinen. Begrüßt werden insbesondere transkulturell angelegte Vorträge, die vigilanztheoretische und polyzentrische Ansätze verbinden.

Wir bitten um Skizzen (ca. 500 Wörter) für Vorträge mit einer Länge von 30 Minuten. Die Konferenzsprache ist Deutsch und Englisch. Die Skizzen können auf Englisch oder Deutsch eingereicht werden. Die Kolleg-Forschungsgruppe übernimmt Reise- und Unterbringungskosten. Die Herausgabe eines Themenheftes einer Zeitschrift ist geplant.

Bitte senden Sie Ihren Vorschlag bis zum 31. Oktober 2020 an Iryna Klymenko: Iryna.Klymenko@lrz.uni-muenchen.de