Geschichte Osteuropas und Südosteuropas
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Revisited: Filme der Perestrojka

Filmreihe im Kino des Filmmuseums München

06.11.2025

Zum gesamten Text von Helena Holzberger und zum pdf der Filmreihe mit allen Titeln und Terminen.

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre leiteten Michail Gorbačevs Reformen der Umgestaltung und Transparenz – Perestrojka und Glasnost’ – einen erheblichen Wandel in der sowjetischen Gesellschaft ein. Perestrojka zielte darauf, die Sowjetunion aus ihrer außen- und innenpolitischen Misere zu befreien. Im Rahmen der Glasnost’ ist aber auch die Zensur stark gelockert worden. Besonders unter Kunstschaffenden und Intellektuellen entstanden daraufhin offene Diskurse über Fehler der Regierung und zuvor tabuisierte Themen, wie Umweltkatastrophen, stalinistische Verbrechen oder nationale Unterdrückung. In der sowjetischen Filmindustrie begann der radikale Wandel mit dem 5. Unionskongress der Filmschaffenden 1986, als progressive künstlerische Mitglieder zum Vorstand gewählt wurden und damit Dreiviertel der bisherigen bürokratischen Apparatschiks ersetzten. Sie stellten das Sekretariat neu auf, reduzierten Parteimitglieder und führten demokratische Entscheidungsprozesse ein. Damit ebneten sie den Weg zu einer neuen Filmkultur.

Die Bolschewiki erkannten bereits in den 1920ern die Wirkmacht des Films und förderten großzügig die sowjetische Filmindustrie, während sie ihr gleichzeitig schon damals ein Korsett anlegten und sie zum Propagandainstrument machten. Diese strenge Kontrolle wurde erst in der Tauwetterperiode gelockert, und so konnten um 1960 erstmals auch Filme erscheinen, die eine individuelle menschliche Erfahrung erzählten, statt eines sozialistisch-realistischen Heldennarrativs. Unter Leonid Brežnev schlug die Zensur wieder zu und die staatliche Filmproduktionsfirma Goskino, die für alle Aspekte der Filmproduktion und Distribution zuständig war, übte strenge ideologische und finanzielle Kontrolle aus. Spielfilme dieser Zeit sollten nun gleichermaßen das sowjetische Bürgertum ins Kino locken und dennoch weiterhin ihre sozialistische Erziehungsfunktion erfüllen. Filme, die diesen Kriterien nicht genügten, durften zwar produziert werden, kamen jedoch nicht in den landesweiten Vertrieb, wurden zensiert oder gar unter Verschluss gebracht. 1986 löste die Union der DIE NADEL Filmschaffenden Goskino in allen sowjetischen Teilrepubliken auf und unterstellte die einzelnen Filmstudios direkt dem nun ebenfalls progressiven Kultusministerium. Fortan erhielt jedes Studio ein eigenes Budget und konnte eigene Produktionen planen, während Goskino mit generellen strategischen und koordinativen Planungen für die sowjetische Filmindustrie beauftragt wurde. Gleichzeitig arbeitete die Union der Filmschaffenden energisch daran, die von der Zensur verbannten Filme endlich in den Vertrieb zu bringen.

Die Filmreihe findet in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum München statt.