Geschichte Osteuropas und Südosteuropas
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Dissertationsprojekt: The Plight and Flight of the Jews of Lviv: Understanding the Complexity of Jewish Population Movements in General Government (AT)

Erster Betreuer: Professor Martin Schulze-Wessel

Zweite und Dritte Betreuung: Professor Frank Bajohr und Professor Cornelia Wilhelm

Sprache: Englisch

1945 veröffentlichte Philip Friedman einen der frühen historischen Aufsätze über den Holocaust und die erste und letzte Nachkrigszählung der jüdischen Bevölkerung Lembergs. In seinem Pionierwerk "Die Zerstörung der Juden von Lemberg" berichtete Friedman, dass am 21. September 1944 ein jüdisches Provinzkomitee 3.400 jüdische Einwohner in Lemberg verzeichnete. Er behauptete weiter, dass "von den Juden, die entweder in Lemberg geboren wurden oder dort zur Zeit der deutschen Eroberung wohnten, nur 823 überlebten", was weniger als ein halbes Prozent der jüdischen Bevölkerung der Vorkriegszeit ausmachte. Dieser war einer der ersten Berichte, der das Ausmaß der jüdischen Todesopfer des Holocausts aufzeigte. Die Darstellung des Überlebens in Lemberg war jedoch weitgehend falsch.

Friedman, selbst ein Überlebender, hat sein Leben der Untersuchung und Erforschung der Nazi-Gräueltaten in Osteuropa gewidmet. Im Dezember 1945 prognostizierte er, dass "möglicherweise in vielen Jahren die Zahl der Quellen für eine vollständige, wissenschaftlich präzise Beschreibung der Lemberger Tragödie zunehmen wird " , und tatsächlich deuteten Jahrzehnte danach gesammelte Überlebensberichte darauf hin, dass die Zahl der Überlebenden aus Lemberg bei etwa 2000 liegt und dass mehr als die Hälfte davon den Krieg in Westpolen, der Ukraine, Rumänien und der Sowjetunion überlebte. Dies spricht stark dafür, dass Vertreibung eine zentrale Erfahrung im Leben der Lemberger Juden während des Zweiten Weltkriegs war, wenigstens im Leben der Überlebenden.

Wissenschaftler haben sich allerdings meist auf verschiedene Aspekte der Verfolgung der Juden aus der Perspektive der Täter konzentriert. Die Holocaustforschung über Lemberg ist daher von Ghettoisierung, Konzentration und Deportation geprägt. Diese Dissertation wird die historische Lücke der Opferperspektive adressieren und die Bevölkerungsbewegungen der Lemberger Juden unter der deutscher Besatzung (1941-1944) durch eine breite kontextuelle und theoretische Aufmerksamkeit untersuchen. Hier wird gefragt, wie die Bevölkerungsbewegungen der Juden Lembergs unter der deutschen Besatzung funktionierten und in welchem historischen Kontext sie existierten.
Anhand von Berichten von Überlebenden, die von der Jüdischen Historischen Kommission in Polen und Spielbergs Shoah Foundation gesammelt wurden, sowie privaten Tagebüchern und Memoiren, werden Typen und Untertypen von Bewegungen identifiziert und ihre Strukturen, Definitionen und fließenden Grenzen diskutiert. Es wird weiter argumentiert, dass Vertreibung eine zentrale Erfahrung im Leben der Lemberger Juden war, einer Aspekt, der bisher in der Holocausthistoriographie vernachlässigt wurde.